Wissen Sie was Sie sexuell wollen und begehren? Was Sie anmacht, Ihnen Lust macht und Ihr Herz schneller schlagen lässt? Was Sie erotisch finden und was Sie erregt? Wissen Sie welche Fantasien und Wünsche Sie dabei beflügeln, was Sie körperlich brauchen oder wollen? Wie Sie zum Orgasmus kommen? Wissen Sie was Sie abtörnt, wie Sie auf keinem Fall angefasst werden wollen, wo Ihre Grenzen sind?
Und weiß das Ihr Partner oder Ihre Partnerin auch von Ihnen?
Oft werden in Beziehungen nur die ‚ungefährlichen‘ Aspekte von Sexualität geteilt, bei denen wir davon ausgehen, dass der Partner oder die Partnerin sie gut findet, auch Spaß daran hat, oder sie ihr oder ihm gleichermaßen Lust machen. Wir zeigen uns als die sexuellen Wesen, von denen wir annehmen, dass sie beziehungskompatibel sind und begehrenswert. Dafür bekommen wir, wenn es gut läuft, Bestätigung. Dadurch, dass unsere Partner oder Partnerinnen erregt sind – uns begehren – erleben auch wir die Sexualität als erfolgreich. Und das manchmal unabhängig davon, ob wir selbst auf unsere – sexuellen – Kosten gekommen sind.
Der bekannte US-amerikanische Sexualtherapeut David Schnarch nennt das eine ‚partnervalidierte Sexualität‘ – wir gestalten eben die Sexualität und unser Begehren in Bezug auf unsere Partnerin oder unseren Partner und erleben Sie dann als geglückt, wenn wir von ihm oder ihr positiv bestätigt werden – quasi ein ‚Daumen hoch‘ bekommen.
Studien zeigen, dass es gerade Frauen in heterosexuellen Partnerschaften tendenziell wichtiger ist, dass der Partner sexuell auf seine Kosten kommt, als sie selbst. Oft endet dann der Sex mit dem Orgasmus des Partners, egal ob auch die Frau selbst einen Orgasmus hatte. Verhältnismäßig mehr Frauen als Männer sagen auch, dass der Orgasmus Ihnen nicht so wichtig sei. Sexualität hat in diesem Zusammenhang für Frauen dann oft eine andere Funktion als für Männer, sie erleben darin Intimität und emotionale Nähe, oder auch Bestätigung ihrer Weiblichkeit. ‚Funktionierende‘ Sexualität stabilisiert die Beziehung.
Farbe zu bekennen in der Sexualität, zu ihrer gegenwärtigen sexuellen Verfassung (auch zu sexuellem Desinteresse oder Lustlosigkeit) zu stehen, oder mitzuteilen was fehlt oder stört, fällt vielen Menschen schwer. Frauen wie Männern.
Dies insbesondere, wenn das sexuelle Interesse oder Desinteresse, von dem des Partners/der Partnerin abweicht. Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Wünsche/unser Begehren nicht kompatibel ist, fällt es vielen Menschen schwer dazu zu stehen, oder es überhaupt auf den Tisch zu legen und darüber zu sprechen. Wenn wir wissen, oder auch nur annehmen, dass unser Partner/unsere Partnerin es komisch findet oder ablehnt was wir uns wünschen, sprechen wir oft erst gar nicht darüber. Wir kneifen und setzen uns nicht dem potentiellen Konflikt aus, oder einer möglichen peinlichen Situation.
Und, nein, wir müssen nicht alles auf den Tische legen. Der Partner oder die Partnerin hat auch kein Recht alles von uns zu wissen oder zu erfahren. Ebensowenig wie umgekehrt. Hier geht es um unser Begehren, das wir leben möchten, ausprobieren oder das für uns zu einer erfüllten Sexualität gehört. Eben das, was uns wichtig ist. Wenn wir damit dauerhaft hinter den Berg halten, tun wir uns keinen Gefallen und auch der Partnerin oder dem Partner nicht. Was dann herauskommt ist so etwas wie Sexualität auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, speziell wenn keiner von Beiden sich traut Farbe zu bekennen. Oder der eine in der Beziehung, der sich traut, definiert die gelebte Sexualität – auch desjenigen, der sich eben nicht traut.
Aber wie schaffen wir es Farbe zu bekennen zu dem was wir möchten, bekommen möchten oder geben möchten – was wir uns wünschen und wie wir es uns wünschen? Ein guter Weg führt über eigene Akzeptanz unseres spezifischen Begehrens. Indem wir uns damit konkret auseinandersetzen, spüren, reden, Chancen und Risiken abwägen, freundlich zu uns sind und uns selbst Raum geben. Die Grenzen weiter stecken, vor allem für uns selbst. Das heißt, wir bekennen vor uns selbst Farbe: So bin ich, das erregt mich, das will ich, das nicht.
David Scharch nennt das ’selbstvalidierte Sexualität/Intimität‘. Es braucht ein klares Selbstbewusstsein die individuelle Sexualität zu entwickeln und auch zu kommunizieren. Dabei gilt es auch die eigene Angst zu regulieren oder die Angst des Gegenübers auszuhalten, wenn es Unterschiede im Begehren gibt. Das ist immer ein Prozess und oft auch eine Herausforderung in einer Beziehung. Gleichzeitig eröffnet es Räume für die eigene, nicht nur sexuelle, Entwicklung und die Flexibilität in der Partnerschaft. Es lohnt sich also :-)