Das Gestaltcoaching hat sich aus der Gestaltpsychotherapie entwickelt, die in den 1950er Jahren in den USA entstand.
Der Begriff „Gestalt“ bezieht sich auf etwas, das gegenwärtig für mich im Vordergrund meiner Erfahrung ist. Etwas verkürzt könnte man sagen, die Gestalt ist das âThemaâ, mit dem ich mich gerade am meisten beschäftige. Die Gestalt kann konkret ein bestimmtes persönliches Erlebnis sein, ein Bedürfnis (wie zum Beispiel Hunger), eine Körperempfindung, oder ein Gefühl, wie Glück, Zorn, Traurigkeit oder Enttäuschung.
Im Idealfall taucht eine Gestalt, oder ein Thema, auf, ich nehme es wahr, beschäftige mich damit, löse es und es tritt wieder in den Hintergrund. Es hat quasi eine gute, runde Gestalt gefunden.
Einfach lässt sich das mit dem Beispiel âHungerâ verdeutlichen:
Ich sitze arbeitend am Schreibtisch und plötzlich merke ich, irgendetwas ist komisch. Dann nehme ich wahr, dass es in meinem Magen leise grummelt und er sich leer anfühlt. Aha, denke ich, ich habe Hunger! Dann stehe ich auf und gehe in die Küche und esse eine Banane. Ich schmecke die Süße der Frucht und merke wie sich mein Bauch wohler fühlt. Ich bin satt und mein Bedürfnis ist befriedigt. Dann setzte ich mich wieder an den Schreibtisch und arbeite weiter.
Wenn das Leben so schön rund läuft, wie in dem Bananenbeispiel, ist alles wunderbar, gut âim Flowâ.
Hin und wieder aber hindern wir uns daran, unsere Bedürfnisse, z.B. nach Bananen, Zuneigung, Autonomie, einer guten Beziehung, einer Gehaltserhöhung oder einer neuen Position, zu befriedigen.
Das kann verschiedene Gründe haben und an unterschiedlichen Stellen auf dem Weg passieren. Es kann sein, dass wir unser Bedürfnis gar nicht richtig wahrnehmen, es falsch verstehen oder nach der ersten Banane noch ganz viele andere wollen, obwohl wir schon satt sind. Im Gestaltcoaching arbeiten wir, in einem geschützten Raum, daran zu erforschen, wie wir es schaffen unsere Bedürfnisse zu befriedigen oder wo wir damit Schwierigkeiten haben. So geht es auch darum, mehr Selbst-Verantwortung zu übernehmen und den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern.
Zentral für die Gestaltarbeit ist, dass wir in der Gegenwart arbeiten, im âHier und Jetztâ. Das heißt, wir arbeiten an einem Thema wie es hier und jetzt in Erscheinung tritt â und nicht daran, was vor zehn Jahren war oder wie es âimmerâ ist. Gegenwärtige Probleme können auch nur in der Gegenwart bearbeitet werden, das ist die zugrunde liegende Idee.
Wir machen uns also die Mühe, genau zu sein in unserer Wahrnehmung. Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Wir sind es gewohnt, gegenwärtige Probleme im Licht unserer vielen Erfahrungen in der Vergangenheit zu durchdenken und Lösungen nach gewohnten Mustern zu suchen. Oder wir machen uns Gedanken, Vorstellungen oder Sorgen um die Zukunft, die uns auch vom Erleben in der Gegenwart wegführen. Deshalb versuchen wir in der Gestaltarbeit, genau hinzuschauen, was gerade ist und besonders, âwieâ etwas ist oder abläuft. Unsere Arbeit ist erlebnisorientiert. Wir probieren konkret aus, anstatt nur darüber nachzudenken.
Dabei spielt der Kontakt und die Beziehung zum Gegenüber eine wichtige Rolle. Zwei Zitate des Religionsphilosophen Martin Buber bringen es auf den Punkt:
Der Mensch wird am Du zum Ich. // Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
Das dialogische Prinzip ist ein sehr zentraler Teil in der Gestaltarbeit. Als Klient und Coach arbeiten wir in einem direkten und authentischen Dialog gemeinsam daran, die passende Antwort auf die gegenwärtige Situation, oder ein Problem, zu finden. Beide, Klient und Coach, sind in diesem Prozess sehr präsent und bringen sich aufrichtig ein.